Stop Victimblaimg – Verteilaktion am Rathaus Münster

Zum zweiten Mal vereinen sich die Beratungsstelle Frauen-Notruf, die Leezen Heroes und liba, um gesellschaftlich relevanten Themen mehr Raum und Aufmerksamkeit zu verschaffen. Die Verteilaktion am Rathaus geht am 24.11.2023 in die zweite Runde, bei der neuen Kampagne: AufHören – Stop Victimblaming.

Foto: Daniel Witte

Doch was hat es damit auf sich und wer oder was steckt dahinter?

Angefangen bei der „Beratungsstelle Frauen-Notruf Münster e.V.“. Bereits seit 1982 stehen die Mitarbeiterinnen allen Frauen und Mädchen als spezialisierte Fach- und Beratungsstelle zur Seite. Ihr Schwerpunkt liegt auf der Thematik sexualisierte Gewalt.

„Leben ohne Gewalt. Wir sind für sie da“
Beratungsstelle Frauen-Notruf Münster e.V.

Zuflucht, Beratung und Unterstützung erhalten dabei nicht nur die Opfer sexualisierter Gewalt, sondern gleichermaßen die Bezugspersonen. Kampagnen wie „Luisa ist hier“, „keine Chance für Loverboys“ oder „keine Schuld“ fokussieren, sexualisierter Gewalt langfristig und endgültig entgegen zu arbeiten. Alle Kampagnen, Aktionen und noch so kleine Maßnahmen sollen die Wichtigkeit und vor allem die absolute Notwendigkeit einer rechtlichen und gesellschaftlichen Veränderung betonen.

Aber was genau ist sexualisierte Gewalt und in welchen Formen kann sie in Erscheinung treten?

Für eine Mehrheit bedeutet sexualisierte Gewalt, dass jemand vergewaltigt wurde. Das Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben zeigt detailliert auf, welche physischen und psychischen Handlungen noch zu sexualisierter Gewalt gehören:

„Sie äußert sich auch durch sexuelle Belästigung, zum Beispiel in Form von: sexuellen Anspielungen, obszönen Worten oder Gesten, aufdringlichen oder unangenehmen Blicke, Briefen oder elektronischen Nachrichten mit sexuellem Inhalt, dem unerwünschten Zeigen oder Zusenden von Bildern oder Videos mit pornografischem Inhalt [oder] sexualisierten Berührungen“.

Eine Frage, die unvermeidlich aufkommt: Warum werden Menschen in diesem Ausmaß überhaupt übergriffig? Die Antwort, leider wenig zufriedenstellend: Den Meisten geht es um Machtausübung – der anderen Person überlegen sein, eine Hilflosigkeit ausnutzen, innere Zwänge an anderen Menschen unabhängig von Alter, Nationalität oder Religion ausleben. Oftmals werden chemische Substanzen, wie K. -o.-Tropfen zur Hilfe genommen, um das Opfer zu betäuben und gefügiger zu machen. Es wird eine Art Abhängigkeitsverhältnis geschaffen und die sexualisierte Gewalt als Mittel zum Zweck missbraucht. In dieser Tatsache wird deutlich, dass niemand kategorisch vor solchen Übergriffen geschützt ist. Umso weniger ist es nachvollziehbar oder logisch dem Opfer solcher Ereignisse die Schuld zu geben. Leider passieren diese Schuldzuweisungen noch viel zu oft. Bekannt ist dieses Verhalten als:

Ein typisches Verhaltensmuster bei der Täter-Opfer-Umkehr, ist dem Opfer vorzuwerfen, dass die sexualisierten Inhalte oder Handlungen selbst provoziert wurden. Fest gemacht wird es meist an der Kleidung, dem Verhalten oder generellen Umgang mit Täter *innen. „Kein Wunder bei dem was du anhast“ – Eine logische Schlussfolgerung, da lange, kurze, dicke, dünne, bunte oder dezente Kleidung die Legitimation gibt sexualisierte Gewalt auszuüben? Nein!

 

Im gleichen Atemzug werden die Täter *innen in Schutz genommen – sie seien die wahren Opfer, da ihnen eine Rufschädigung bevorstehen könnte. Das Hauptaugenmerk liegt dann nicht mehr auf der Tat und der ausübenden Person, sondern auf den Betroffenen und dies leider nicht in der Art und Weise, wie es angebracht wäre. Die Schuldzuweisungen gegenüber dem Opfer geschieht nicht ausschließlich in der Folge sexualisierter Gewalt, sondern erleben dies auch Opfer von Gewalt, Mobbing, Antisemitismus und Rassismus.

Im Großen und Ganzen wird um die Schuldzuweisung debattiert. Durch Dritte, wie Freund *innen, Familienangehörige, Therapeut *innen, Polizist *innen oder generell Ansprechpartner *innen, wird eine Schuldumkehr durchgeführt. Von Täter *in auf Opfer. Manchmal wird die ganze Schuld oder eine Teilschuld zugeschrieben. Eine Gefahr besteht bei diesen Schuldzuweisungen, dass die Opfer diese Haltungen annehmen und sich selbst, ihre Kleidung, Verhalten etc. infrage stellen, obwohl sie an den Ereignissen keine Schuld tragen.

Der Frauen-Notruf hat eine Umfrage in Münster durchgeführt, in der sie Erfahrungen von verschiedensten Opfern zusammengetragen haben. Diese Zitate verdeutlichen die Tragweite des Victim blamings, da die Aussagen von unterschiedlichsten Menschengruppen getroffen wurden.

Eine weitere Konsequenz, die sich aus diesen Anschuldigungen ergibt: Die Tat, die physischen oder psychischen Verletzungen oder die womöglich schmerzhaften Erinnerungen werden verharmlost und Opfer als Lügner *innen dargestellt.

Wie bereits festgestellt handeln Täter unteranderem aus Machtgründen. Aber warum Verhalten sich Angehörige, Vertraute oder generell Menschen, bei denen Zuflucht gesucht wird so? Eine umfassende Antwort ist schwer zu geben. Dennoch zeigt sich hier eine Art „Schutzmechanismus“.  Dahinter verbirgt sich die Angst, dass einem diese Erfahrungen auch blühen könnten. Da es der anderen Person aber nur passiert ist, weil diese eine bestimmte Kleidung, eins bestimmtes Verhalten aufwies, welches man selbst nicht träge oder mache, könne es einem nicht passieren. Wenngleich dieser Schutzmechanismus nachvollziehbar ist, ist es nicht zu verstehen, Opfern dennoch die Schuld für die Taten zu geben.

Der Frauen-Notruf möchte mit der aktuellen Kampagne auf diese Thematik aufmerksam machen. Wie sieht die Zusammenarbeit genau aus?

Gemeinsam mit dem Frauen-Notruf werden limitierte Flaschenetiketten angefertigt. Die Limonaden werden mit diesen versehen und auf dem Prinzipalmarkt an alle anwesenden Menschen verteilt und zu dem Thema aufgeklärt. Den Transport der Ware und die Verteilung vor Ort unterstützen die Leezen Heroes.

Du oder jemand in deinem Umkreis hat sexualisierte Gewalt erfahren? Dann richte dich an den Frauennotruf: 0251/34443